Inszenierung

Gedanken zur Inszenierung

Brigitta Soraperra

Da die Partitur von Gerold Amann mit Ausnahme der (deutschsprachigen) Texte für das Gesangsquartett keine verständlichen Wörter enthält, sondern der Chor der Vögel lautmalerisch und mittels Interjektionen redet/singt und die Götter und Menschen sich in Altgriechisch artikulieren, ist die Hauptaufgabe der Inszenierung, Handlung und Inhalte der Dialoge für ein breites Publikum verständlich zu machen.

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Die Vorgaben für die Inszenierung von Brigitta Soraperra bilden die 3 Darstellergruppen, gegliedert in Götter, Menschen und Vögel.

Das Ziel in der Probenarbeit mit den Solisten und Solistinnen (Götter und Menschen) ist eine äußerst präzise und zum Teil überdeutliche Körpersprache, die in Richtung Comedia dell’arte gehen wird. Auch bilden konkrete Naturstudien eine wichtige Grundlage für die Erarbeitung der Körpersprache der Darsteller/innen. Balztänze und besondere, nur bei Vögeln vorkommende Rituale (Fressen, Füttern, Brüten, Feindabwehr,…) werden in Charakteristika einzelner Figuren und ihrer Handlungen übersetzt.

Zudem werden die altgriechischen Texte auf ihren lautmalerischen Gehalt hin untersucht (Sprachmelodie, Ausdruck, Sprechrhythmus) und ebenfalls in die Körpersprache (Gestik und Mimik) der Spieler/innen übertragen.

Dialoge, die rein in Interjektionen geschrieben sind (Bsp. Die Szenen: Politesse-Schleimer, Tereus-Nachtigall…) werden überhöht herausgearbeitet und damit vergrößert, um auf der Freiluftbühne auch als relativ intime Szenen bestehen zu können. Die sich daraus zwangsläufig ergebende Situationskomik ist mehr als gewünscht, verpacken Aristophanes – und auch Amann – in „Die Vögel“ eine durchaus ernst gemeinte Gesellschaftskritik unter der Gattungsbezeichnung „Komödie“.

Die szenischen Handlungen entsprechen der in der Partitur klar vorgegebenen Szenenfolge und werden großteils rhythmisch und choreografisch gelöst – unterbrochen von den diversen dialogischen und monologischen Szenen. Dabei geht es um eine geschickte Verknüpfung von konkreten Handlungen (Aufbau der Stadt „Wolkenkuckucksheim“, Hochzeitsfest Pereus-Basilea) mit abstrakten Bewegungsabläufen, die mittels „Schwarmintelligenz“ gewonnen werden (siehe weiter unten Choreografie). Zum Teil werden aber auch konkrete Handlungen rein formal gelöst, um eine gewisse Plattheit zu vermeiden und die Wirkung des Gezeigten zu vergrößern. So beinhaltet die Umsetzung der Szene „Unerträgliche Zustände in Athen“ Wiederholungen und szenische Zitate von (unerträglichen) Aktionen.

Der Chor, das Hauptelement der Partitur und der Inszenierung, ist immer präsent, auch wenn er gerade nicht aktiv Teil der Szene ist. Die Dreiteilung der Bühne ermöglicht seine Allgegenwart, um ihn nicht nur als Verkörperung der Gruppe der Vögel einzusetzen, sondern auch die Funktion des antiken Chores zu bedienen. D.h. als Allwissender repräsentiert er auch die Allgemeinheit, die das Unglück trotzdem nicht verhindern kann.

Die Götter (Gesangssolist/innen) werden eher statisch eingesetzt. Sie erhalten ihren fixen Platz auf der Bühne, wo sie scheinbar magisch erscheinen und verschwinden und das Treiben der Menschen (mahnend) kommentieren. Einzig das Gesangsquartett (Grazien) bewegt sich im Menschenreich. Sie schreiten in einer klar choreografierten Bewegungsabfolge über die Bühne.

Überhaupt sind bei der szenischen Umsetzung vom Musiktheater „Die Vögel“ die Übergänge zwischen Inszenierung, Choreografie, Chorleitung fließend, und es gibt eine enge Zusammenarbeit dieser Bereiche. Es geht um ein präzises Zusammenspiel zwischen Gesang, Text bzw. Klang und Bewegung. Rund um die szenische  Handlung werden sprachmusikalisch unterlegte Bewegungsabläufe entwickelt, choreografiert und inszeniert.

Choreografie

Ursula Sabatin

DieVoegel_Proben2014cCBegle04Die renommierte Tänzerin und Choreografin Ursula Sabatin hat schon die Ameisengruppen aus „Formicula“ (2003) erfolgreich choreografiert. Bei den „Vögeln“ ist die Gruppe der Vögel in zwei Bereiche unterteilt: einen Sprech- und Bewegungschor  und eine Tanzgruppe. Diese sind Ausganspunkt für die Überlegungen des choreografischen (und inszenatorischen) Konzepts.

 

Während der Sprachchor, der unter Anleitung von Gerold Amann und Isabella Fink mit Interjektionen, Sprachmelodie, Gestik und Mimik arbeitet, auch choreografische Sequenzen aufnimmt und mehr und weniger aktiv in die verschiedenen Handlungsabläufe integriert wird, übernimmt die Tanzgruppe – unterteilt in verschiedene Kleingruppen und als Großgruppe – alle Aufgaben im Tanzbereich, die aus konkreten (Städtebau, div. Feierlichkeiten) und abstrakten Handlungsabläufen (allgemeiner Tanz) bestehen. Allerdings wird auch die Tanzgruppe die charakteristischen Gestiken und Mimiken des Sprachchores in ihr Bewegungsvokabular aufnehmen, um die Homogenität der Gruppe der Vögel sichtbar zu machen.

Grundlage für die Hauptchoreografie der Vögel bildet zudem die von Sabatin bereits mit ihrem Tanzstück „Annäherung“  (2012) begonnene künstlerische Auseinandersetzung mit Vögelschwärmen. Dabei überträgt sie die Ergebnisse aus der relativ jungen Wissenschaft der Schwarmforschung und das faszinierende Schwarmphänomen von Tieren auf den Tanz in größeren Gruppen. Zentral ist hier der Begriff der „Schwarmintelligenz“ als ein Zusammenwirken von Individuen ohne hierarchische Ordnungen. Diese bietet sich einerseits  für die Entwicklung der Tanzsequenzen und choreografischen Strukturen an und lässt sich andererseits in Gestik und Qualität von Bewegungsabläufen übertragen. Auch bildet das reale soziale und rituelle Verhalten von Vögeln (Balzen, Werben, Füttern, Feindabwehr, ….) eine wesentliche Inspirationsquelle für das zu findende Bewegungsmaterial.

Einzelne Solistenrollen in der Gruppe der Menschen (z.B. der Poet) und Götter (z.B. Basilea) werden zusätzlich zum Schauspiel auch mit Tänzer/innen besetzt und durch parallel eingesetzte Solochoreografien unterstützt. Verbaler und körperlicher Ausdruck verlaufen hierbei gleichzeitig und verdeutlichen die Handlung.

Die Tanzgruppe, die zum Teil aus dem festen Ensemble Tanzufer besteht wird durch eine Bewegungsgruppe, die je nach Können in verschiedenen Szenen eingesetzt wird, zur Großgruppe erweitert.

Stufenweise Erarbeitung der Choreografie

Da es bei den „Vögeln“ wie oben ausgeführt um eine intensive Zusammenarbeit zwischen Gesang, Klang und Bewegung geht, wurden bereits im Herbst 2013 Vorbereitungswochen für alle Interessierten im Tanz – und Bewegungsbereich veranstaltet. Durch ein intensives Tanz- und Bewegungstraining (Tanztechnik, Bewegungsentwicklung, Präsenz, Körperarbeit) konnten alle Beteiligten auch tänzerisch ausprobieren und sich entwickeln.

Das Stück stellt durch die Freiluftbühnensituation und durch ein Bühnenbild, das ein Bespielen von verschiedenen Ebenen vorsieht, bewegungstechnisch hohe Anforderungen. Die Altersstruktur der Teilnehmenden – von Jugendlichen bis zu Erwachsenen jeden Alters – ist breit gefächert und erfordert auch eine gute körperliche Vorbereitung, die mittels Trainings im Vorfeld vorbereitet wird.

Bühne

Johannes Rauch

Johannes Rauch, der schon für die Schlinser Freiluftspiele „Goggalori“ (1973/74), „Apokalypse“ (1990/92) und  „Formicula“ (2003) die Bühnenbilder entworfen hat, hat sich auch bei den „Vögeln“ von den besonderen Gegebenheiten der Ruine als Grundlage für sein künstlerisches Konzept leiten lassen. Innen und Aussen, oben und unten spielen dabei eine grosse Rolle.

Die Bühne besteht aus 3 Ebenen:
1. dem Menschenreich (unten)
2. dem Reich der Götter  (oben)
3. und dem Reich dazwischen, das von den Vögeln unter Anleitung ihres neu erkorenen Führers Piros erbaute „Nephelekokkygia“ (Wolkenkuckucksheim)

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Während Menschen- und Götterreich stabile Spielflächen (aus Holz) bilden, wird das „Wolkenkuckucksheim“ als Teil der Handlung erst erbaut. Hier greift Johannes Rauch auf Materialien aus der Natur und aus dem Baugewerbe zurück: Holz, Latten, Fässer, Rohre, Gitter,….

Ein seltsamer und durchaus willkommener Zufall bedeutet es, dass der Vorarlberger Denkmalschutz eine Art Käfig über das ganze Ruinengemäuer gezogen hat, um etwaigen Steinschlag zu verhindern. Dieser Käfig bildet einen äußerst stimmigen Rahmen für ein Stück, in dem „Vögel“ sich ein eigenes „Reich der Freiheit“ bauen (wollen), das sich letztendlich als größte Unfreiheit erweisen wird.

Kostüme

Evelyne Fricker

DieVoegel_2014cNPlattner (6)Schon Aristophanes arbeitete mit Metaphern und Symbolen, seine „Vögel“ stehen für das griechische Volk, das sich aus Sehnsucht nach mehr Macht und Besitz nur allzu leicht verführen lässt. Evelyne M. Frickers Kostüme sind keine Eins-zu-eins Vogelkostüme. Sie nimmt die Elemente aus der Tierwelt auf und  kreiert daraus ihre eigenen Vogelversionen, die – halb Mensch, halb Tier – eine eigenwillige Künstlichkeit erfahren werden. Eine wichtige Grundlage für die Überlegungen zum Kostümkonzept bildet die bei allen Spielen in Schlins von vornherein gesetzte Arbeitsweise: die Ideen der Kostümbildnerin werden nicht von einer professionellen Kostümwerkstatt umgesetzt, sondern eine Gruppe freiwilliger Näherinnen aus dem Dorf setzt die Entwürfe unter Anleitung der Künstlerin um.