Musik

Gerold Amann und seine Arbeit mit lautphonetischen Gesängen und Interjektionen

„Ich bin in der Kriegszeit aufgewachsen, im Vorarlberger Dorf Schnifis, zwischen einem singenden Kirchenchor, Vogelgesang und Kirchenglocken“, sagt der heute in Schlins lebende Komponist Gerold Amann, „das hat eine ganz andere Einstellung zu Schall bewirkt.“ Die Klangerlebnisse seiner Kindheit haben Amanns Werke von jeher geprägt. Aus der überraschenden und grenzüberschreitenden Synthese unterschiedlicher Bild-, Klang- und Tonebenen hat er ein innovatives künstlerisches Konzept entwickelt.

So lebt auch Amanns musikalische Komödie „Die Vögel“ – frei nach Aristophanes – vom Aufeinanderprallen und Zusammenwirken unterschiedlicher Klangelemente
und -formen. Das altgriechische Original mutiert zu lautphonetischem Gesang mit Klangeffekten, Sprachfarben und stimmlosen Lauten in verschiedenen Höhen. Aristophanes erschien Amann dafür besonders geeignet, weil die drei Personengruppen des Stücks drei verschiedenen Arten des Ausdrucks ermöglichen:

„Die Götter singen Fragmente im griechischen Original.“
„Die Menschen sprechen in verschiedenen Sprachmelodien den Sprechgesang, die Rezitative, Fragmente aus dem Griechischen.“
„Die Vögel sprechen in Interjektionen.“

Hinter diesem lateinischen Fachbegriff verbergen sich die Achs, Ahas, Ohs, Igitts, Uups, Hms und Co, also jene knappen, aber oft dafür umso aussagekräftigeren Laute und Lautfolgen, die je nach Sprachmelodie, Gestik und Mimik des Sprechers ganz unterschiedliche Bedeutung annehmen. So kann ‚aha’ zweierlei bedeuten: kurz und mit aufsteigender Melodie gesprochen bedeutet der Zweisilber: „Ich hab’s verstanden.“ Ein hohes kurzes A, gefolgt von einem tiefen kurzen –ha, bedeutet hingegen: „Das hab’ ich mir ja gedacht.“

Warum aber überhaupt Interjektionen? Warum können die Vögel nicht einfach ganz normal singen? Gerold Amann sagt: „Ich suche mir die Musik aus, von der ich glaube, dass sie nicht auf die billige Art die Menschen erreichen kann.“ Weil er die Vogelstimmen nicht einfach auf Gesangsstimmen reduzieren wollte, beschäftigte er sich mit Interjektionen. Den Gedanken, eine Phantasiesprache mit sinnlosen Silben zu entwickeln, ließ er schnell wieder fallen – zugunsten der Interjektionen. Sie haben für ihn nur Vorteile: „Diese Laute sind verankert, vorgegeben, intuitiv“, erklärt er. „Die damit verbundenen Gefühle sind eingelagert in den Menschen, man kann sie direkt ausdrücken. Jeder hat die Chance, das zu spüren, wenn er in diese vorsprachlichen Laute einsteigt.“ Hinzu kommt, dass er den Vögeln einen Ausdruck verleihen wollte, der über die Grenzen der Sprache hinausgeht. „Wenn jemand sagt: Hm, hm, versteht man das in ganz Zentraleuropa, und man versteht ein ‚Aha’, begleitet vom entsprechenden Gesichtsausdruck“.

Gerold Amann setzt in seinen „Vögeln“ auf Gestik, Mimik, Bewegung und verzichtet weitestgehend auf Sprache – zumindest auf die Deutsche. Dafür lässt er den Chor der Götter nach Herzenslust altgriechisch singen. Dass das keiner versteht, tut dem Stück in seinen Augen keinen Abbruch. Schließlich gehe man in die Zauberflöte auch nicht wegen des Inhalts, sondern um sich die Musik anzuhören. Er möchte mit seiner musikalischen Komödie Sprachgrenzen überwinden, so wie es die Musik von jeher vermag: „Ich wollte ein Stück machen, das für alle verständlich ist.“

Völkerverständigung als Kunstform also, für die Amann seit Jahrzehnten ausgiebig mit ungewohnten Klängen, Tönen, Lauten und Geräuschen experimentiert. Häufig erkundet und transkribiert er sie vor Ort – zum Beispiel aus der Natur. In einem früheren, ebenfalls auf der Ruine Jagdberg gezeigten Singsspiel (Goggalori 1972), findet sich eine waschechte Birkhahnbaltz, die Amann folgendermaßen beschreibt: „Die Birkhähne kullern tjo-jo-jo-jo-jo didu-ju didu-ju, sie zischen opop o-i djo-jo djo-jo und krähen du-i gä di-aü.“

All dem zugrunde liegt Amanns jahrzehntelange Beschäftigung mit „Volksmusik“, die er für sich neu gedeutet hat. Volksmusik ist für ihn „eine Musik, die jeder verstehen kann, weil sie aus dem eigenen Körper, aus dem eigenen Gehirn kommt.“ So versteht sich von selbst, dass Interjektionen, wenngleich gesprochen, für ihn ebenfalls Volksmusik sind, ganz einfach „weil jeder sie in sich trägt.“